Als das Empire State Building
1928 geplant wurde, stand hier noch das alte
Waldorf Astoria Hotel. Im Oktober 1929 wurde es abgerissen, wobei man –
und das wertete man als gutes Omen – einen alten Weinkeller der Astors
entdeckte, mit Whisky aus der Zeit der Jahrhundertwende und 100 Kisten
französischen Weins.
Das Empire State Building ist eng mit der Geschichte des
Börsencrashs von 1929 (Schwarzer Freitag) verbunden. Der
Börsenspekulant und Gründer von General Motors John Jacob
Raskob, der das Gebäude von der Architekturfirma Shreve, Lamb and
Harmon entwerfen ließ, hatte Jahre zuvor die maßlose
Überhitzung der New Yorker Börse mit betrieben, indem er
„Reichtum für alle“ versprach, eine „neue Form
von Wirtschaft, die es jedem ermöglicht, reich zu werden“
– jedoch auf Basis fremdfinanzierter (auf Kredit gekaufter) Aktien.
Als die Börse im Oktober 1929 aber endgültig zusammenbrach, verloren
vor allem unzählige Kleinanleger, die zum Teil ihre Aktien bis zu 90 %
fremdfinanziert hatten, ihre gesamte Habe. Die Bautätigkeit in der Stadt
New York, bei der das Bauvolumen von über einhundert Gebäuden mit
einer Geschosszahl von mehr als zwanzig Stockwerken (hundert Meter) errichtet
worden war, kam zum völligen Stillstand. Die radikale Neugestaltung
Manhattans war abgeschlossen. Wettläufe um das höchste Gebäude
der Stadt, wie der zwischen dem Chrysler Building und dem Turm der Bank of
Manhattan 40 Wall Street, die erst in letzter Minute entschieden wurden,
gehörten der Vergangenheit an. Dieser Zweikampf war auch ein Symbol
für die Konkurrenz zwischen den beiden Zentren Midtown und Wall Street,
Raskob aber entschied sich für einen anderen Bauplatz.
Bemerkenswert an diesem Bauwerk ist bis heute die Logistik seiner Errichtung
geblieben. In Detroit hatte Henry Ford das Fließband erfunden, an der 33.
Straße wurde diese für das 20. Jahrhundert so maßgebliche
Erfindung in die Vertikale gedreht. 50.000 Stahlträger, mit einer Toleranz
von 3 mm in der Stahlstadt Pittsburgh gefertigt, reisten mit Schiff und Bahn
an die Ostküste, erreichten den Bauplatz nach nur acht Stunden, waren zum
Teil noch warm, wenn sie von einem der Kräne emporgehievt wurden. Im
Inneren des Gebäudes kam ein komplexes lotrechtes Eisenbahnsystem mit
Güterloren, Schienen und Weichen zum Einsatz, das es mit einem exakten
Stundenplan ermöglichte, dass keiner der ankommenden Lastwagen warten
musste und kein Arbeiter unbeschäftigt blieb.
In nur einem Jahr und 45 Tagen wurde das Bauwerk erstellt. In Rekordzeiten
wurden in zehn Tagen 14 Stockwerke errichtet, im Durchschnitt 4,5 Stockwerke
in der Woche. Über 3400 Arbeiter schufteten zeitweise auf der Baustelle,
genau 3439 im August 1930 auf dem Höhepunkt der Bautätigkeit –
bei einem Lohn von 1,92 $ die Stunde. Besondere Leistungen erbrachten die Nieter.
In eingespielten Vierermannschaften, viele vom Stamm der Mohawk-Indianer,
schlugen sie 800 Niete am Tag ein, warfen glühendes Metall in 300 Meter
Höhe über 40 Meter weit, um es mit trichterförmigen Handschuhen
aufzufangen. Der Arbeitstag begann um 03:30 Uhr und endete um 16:30 Uhr. 14
Arbeiter kamen bei den Bauarbeiten ums Leben. Das Stahlgerüst für
den Bau wurde in 23 Wochen aus 60.000 Tonnen Stahl errichtet. Insgesamt 210
Stahl- und Betonpfeiler tragen das insgesamt 331.000 Tonnen schwere Gebäude.
In den Hohlräumen der Stahlträger befinden sich die diversen
Drähte-, Kabel- und Röhrensysteme.
Für den Innenausbau wurde u. a. der als besonders fest und wasserabweisend
geltende Lahnmarmor aus Villmar und Gaudernbach in Hessen verwendet. Dieser
380 Millionen Jahre alte Marmor ist besonders farbenprächtig und fossilreich.
Lahnmarmor wird heute nicht mehr gefördert. In Deutschland wurde dieser
Stein beispielsweise im Kurhaus Wiesbaden oder im Museum Wiesbaden verbaut.
Die Fotos von Arbeitern auf dem Stahlgerüst während der Bauphase
gingen um die ganze Welt und sind heute noch so populär, dass sie in der
Werbung verwendet werden. Der bedeutende Fotograf Lewis Hine ist damals extra
zu diesem Zweck von den Bauherren verpflichtet worden, und sein Buch über
die Konstruktion des Empire gehört zur Geschichte der Fotografie.